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VERMÖGENSAUFBAU FÜR ALLE
Die Welt könnte eine Transformation erleben, die der industriellen Revolution ebenbürtig ist. Der Wettlauf um den Ausbau der Künstlichen Intelligenz (KI), die Umstellung auf eine kohlenstoffärmere Wirtschaft und die Neuausrichtung der globalen Lieferketten werden unserer Ansicht nach beträchtliche Investitionen nach sich ziehen.
Allerdings ist die Geschwindigkeit, das Ausmaß und die Auswirkungen dieser Investitionen höchst ungewiss. Es dauerte fast ein Jahrhundert, bis die Dampfmaschine die Produktivität steigerte und Jahrzehnte, bis sich die Computer- und Technologierevolution der 1970er-80er Jahre auszahlte. Schätzungen zufolge, darunter der Internationalen Energieagentur, werden die Investitionen in KI-Rechenzentren in den kommenden Jahren jährlich um 60 - 100 % steigen. Doch selbst in dieser ersten Phase des KI-Schubs ist es nicht trivial, den tatsächlichen Umfang festzuzurren. Dass Ressourcen teilweise knapp sind, spielt eine Rolle. Damit verbunden ist die Herausforderung, den Energie- und Rohstoffbedarf von KI zusätzlich zur bereits steigenden Nachfrage im Rahmen der Elektrifizierung zu decken. Daher könnte der Ausbau von KI zunächst inflationär wirken. Wir glauben, dass Märkte und Zentralbanken die inflationären Auswirkungen dieser frühen Phase unterschätzen. Prognosen, wie sehr KI letztlich das jährliche US-Wachstum steigert, reichen von 0,1 bis 1,5 Prozentpunkten. Mittelfristig halten wir den unteren Bereich für realistischer.
Dieser sich abzeichnende Investitionsboom findet in einem ungewöhnlichen Wirtschaftsumfeld statt: zähe Inflation, höhere Zinsen, schwächeres Trendwachstum und hohe Staatsverschuldung. Die Investitionsmöglichkeiten gehen über diesen makroökonomischen Hintergrund hinaus. So stach die Wertentwicklung von US-Aktien im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zu anderen Industrieländern hervor, obwohl die Märkte bis zu fünf Zinssenkungen der US-Notenbank Fed auspreisten. Die Stärke der US-Aktiengewinne wurde durch über den Erwartungen liegende Unternehmensgewinne ausgeglichen, angeführt von einer Handvoll KI-Namen. Werden sich Anleger eines Tages weniger über den nächsten Zinsentscheid von und Fed und Europäischer Zentralbank (EZB) den Kopf zerbrechen als Kipppunkte der Transformation? Denkbar.
Wir erwarten, dass in diesem Regime die Realwirtschaft gegenüber der Finanzwirtschaft an Bedeutung gewinnt. Denn Investitionen fließen in Infrastruktur wie Fabriken und Logistikzentren, in Energiesysteme, darunter Solarparks und Superbatterien, und in Technologie. Im Gegensatz dazu ermöglichte vor der Pandemie die niedrige Inflation den Notenbanken, ihre Leitzinsen zu senken und erhebliche Wertpapierkäufe zu tätigen, um die Konjunktur anzukurbeln. Das stützte auch die Finanzwirtschaft – und trug zu Gewinnen sowohl bei Anleihen als auch Aktien bei. In diese Zeit des günstigen und reichlichen Kapitals werden wir wohl nicht zurückkehren.
Unternehmen werden ihre Geschäftsmodelle überarbeiten und in sie investieren müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Für Anleger bedeutet das, dass die Fundamentaldaten der Unternehmen noch wichtiger werden. Die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern könnte größer sein als je zuvor. Diese Streuung schafft Chancen. Für uns ist das derzeit wahrscheinlichste Szenario eines, in dem auf Sicht der nächsten sechs bis zwölf Monate eine Handvoll KI-Nutznießer die Aktienkurse weiter antreiben können.
Die Transformation könnte mehrere unterschiedliche Wege einschlagen und ein ungewöhnlich breites Spektrum an Ergebnissen hervorbringen. In einer Welt mit vielfältigen Szenarien könnten Anleger versucht sein, sich zurückzulehnen und abzuwarten. Wir sehen jedoch die Möglichkeit, dass es sich enorm auszahlen könnte, wohlüberlegte Risiken einzugehen. Die Antwort auf breites Spektrum an Ergebnissen – und die Notwendigkeit, dynamisch auf Kipppunkte zu reagieren – ist unseres Erachtens nicht einfach eine Reduzierung von Risikobereitschaft. Das künftige Gewinnpotenzial kann dafür sprechen, jetzt Risikokapital einzusetzen.
Wir gehen davon aus, dass sich der Vormarsch von KI in drei Phasen abspielt. Zu den ersten Gewinnern dürften unseres Erachtens große Technologieunternehmen, Chiphersteller sowie Energie- und Versorgungsunternehmen gehören – bevor sich die Vorteile auf andere Sektoren ausweiten. Wir bleiben in US-Aktien und dem Thema KI übergewichtet, halten jedoch die Bewertungen im Blick. In einer zweiten Phase könnten die Investitionen auf Unternehmen ausgeweitet werden, die die Leistungsfähigkeit von KI einsetzen. Die letzte Phase – potenzielle wirtschaftsweite Produktivitätsgewinne durch KI – ist wie erwähnt in Ausmaß und Geschwindigkeit höchst ungewiss.
Wir glauben zudem, dass sowohl aktive Strategien als auch private Märkte eine größere Rolle spielen – und sehen private Märkte als eine Chance, an den frühen Entwicklungen von Unternehmen teilzuhaben, die bei einer möglichen raschen Transformation erfolgreich sein werden. Dies gilt insbesondere in einer Welt, in der hohe Schulden die Fähigkeit von Regierungen einschränken, in Infrastruktur zu investieren. Dennoch sind private Märkte komplex und nicht für alle Anleger geeignet.
Daneben sind wir bei britischen Aktien ein taktisches Übergewicht eingegangen und bleiben konstruktiv für Japan. Wir bevorzugen kurzfristige Anleihen als Einkommensquelle und Qualität bei Unternehmensanleihen.
In einer Welt, in der mehrere, völlig unterschiedliche Entwicklungen möglich sind, können Anleger die zukünftige Zustände nicht mehr als geringfügige Abweichungen von einem zentralen Szenario betrachten. Wir denken, dass die Betrachtung der Welt in mehreren Verteilungen – mit sehr geringer Überschneidung zwischen ihnen – eine bessere Methode ist, um das mögliche Ausmaß der bevorstehenden Wellen der Transformation zu charakterisieren. Was bedeutet dies in der Praxis? Anleger sollten nach der nächsten Welle von Anlagechancen Ausschau halten - und bereit sein, ihre Portfolioallokation dynamisch anzupassen, um diese mitzunehmen.