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Marketinginformation | Kapitalanlagerisiko
19.12.2023
Aus Anlegersicht war es ein versöhnlicher Abschluss für das Jahr 2023, nach den schmerzlichen Kursrückschlägen sowohl an den globalen Aktien- als auch Anleihemärkten im Ausnahmejahr 2022.
Doch war es ein schwankungsreiches Börsenjahr 2023, geprägt durch ein ganzes Potpourri an wechselnden Marktnarrativen, die für ein Auf und Ab der Kurse an den Aktien- und Anleihenmärkten führte. Von Rezessionssorgen und ausgeprägten Zinssenkungserwartungen zu Beginn des Jahres über die Hoffnung auf eine „sanfte Landung“ der Wirtschaft im Sommer, ungeachtet der scharfen Straffung der Geldpolitik, bis hin zu der Aussicht auf längerfristig höhere Zinsen dies- und jenseits des Atlantiks (Stichwort „Zinsplateau“ oder „Tafelberg“ statt „Matterhorn“), die für eine kräftige Kurskorrektur im späten Sommer gesorgt hatten, gefolgt von einem ausgeprägten Zinssenkungsoptimismus im Lichte rückläufiger Inflationsraten, der durch die jüngste Sitzung der US-Notenbank Fed nurmehr befeuert wurden. Als Fed-Chef Jerome Powell bei der Pressekonferenz am 13. Dezember vor die Mikrofone trat, stellte er erstmals mündlich die Zinswende in Aussicht. Auf tragische Weise hat sich im Jahr 2023 zudem eine Renaissance der geopolitischen Zersplitterung weiter manifestiert.
Besonders erstaunt hat die meisten Marktteilnehmer in diesem Jahr wohl zum einen die ungewöhnlich hohe Volatilität am Anleihenmarkt, getrieben von erratischen geldpolitischen Erwartungen. An den Aktienmärkten wiederum ließ sich mit Faszination verfolgen, wie strukturellen Verschiebungen, allen voran der Vormarsch der Künstlichen Intelligenz (KI), „klassische“ gesamtwirtschaftliche Einflussgrößen überlagerten. Diese MegaForces spielten eine Rolle für die außerordentlich hohe Streuung der Performance, die im Jahr 2023 Fingerspitzengefühl bei der Anlage entlohnte.
Insgesamt befinden wir uns in einem neuen Marktregime mit anderen, aber zahlreichen Anlagemöglichkeiten.
Anhaltende Angebotsengpässe, etwa in Form der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und damit einhergehendem Lohndruck, zwingen die Zentralbanken fortgesetzt zu einer straff ausgerichteten Geldpolitik. Mehr Volatilität in der Wirtschaft und an den Märkten ist die Folge. Wir finden Chancen mithilfe eines dynamischen, selektiveren Ansatzes – etwa, indem wir innerhalb der Anlageklassen gezielter vorgehen und Megatrends nutzen, das bedeutet strukturelle Verschiebungen wie den Vormarsch der Künstlichen Intelligenz und die Neuordnung globaler Lieferketten, die heute wie künftig die Renditen antreiben können.
Drei Anlagethemen sind aus Sicht des BlackRock Investment Institute (BII) für die kommenden Monate zentral:
Das gesamtwirtschaftliche Umfeld bleibt unseres Erachtens geprägt durch ein niedrigeres Trendwachstum, hartnäckig hohen unterliegenden Kostendruck und strukturell höhere Zinsen. Denn Produktionshemmnisse bleiben auch nach Abebben der Pandemie allgegenwärtig. Aufgrund des hartnäckigen unterliegenden Inflationsdrucks können die Zentralbanken der lahmenden Wirtschaft nicht wie gewohnt unter die Arme greifen. Wir gehen insgesamt davon aus, dass die Einschätzungen am Markt, zum Beispiel die Gewinnschätzungen von Aktienanalysten, stärker auseinanderklaffen werden. Für Anleger ist es vor diesem Hintergrund wenig zielführend, auf ein spürbar besseres Konjunkturumfeld zu warten. Vielmehr empfehlen wir ihnen, makroökonomisch motivierte Engagements ganz bewusst einzugehen – wenn sie wirklich davon überzeugt sind.
2023 dürfte als Jahr der „Leitzinsgipfel“ in die jüngere Geschichte eingehen und 2024 als das Jahr der Zinswende, nach einer wohlgemerkt in Umfang und Geschwindigkeit außergewöhnlichen Zinsstraffung im Euroraum und in den USA. Zwischen Juli 2022 und September 2023 hatte die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen im Kampf gegen Inflationsrisiken zehnmal um insgesamt 450 Basispunkte angehoben, auf einen Einlagenzins von 4,0 %. In den USA summieren sich die Zinserhöhungen zwischen März 2022 und Juli 2023 auf 525 Basispunkte (Leitzinskorridor von 5,25 % - 5,50 %).
Der Fokus hat sich der Marktdebatte von der Frage der Höhe der Leitzinsen hin zur Frage, wie lange diese auf restriktiven Niveaus verharren und welche konkreten Bedingungen für eine erste Zinssenkung erfüllt sein müssen, verlagert. Unsere Einschätzung: 2024 dürfte sich als das Jahr der Zinswende entpuppen. Zunächst jedoch dürfte auf den Leitzinsgipfel ein Zinsplateau folgen, wie von EZB-Präsidentin Lagarde auf der Dezember-Sitzung betont. An ein baldiges Zurückrutschen ins Tal der Niedrigzinsen ist kaum zu denken, selbst wenn der Zeitpunkt für die erste Zinssenkung näher rückt. Vielmehr erscheint der Zinssenkungsspielraum der Fed und EZB im neuen Marktregime begrenzt.
Zweifelsohne wurden im Jahr 2023 erhebliche Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung erzielt, nachdem bereits im Jahr 2022 der Hochpunkt der Inflation überschritten worden war. Im Euroraum etwa sank die Gesamtinflationsrate von 10,6 % im Oktober 2022 auf 2,4 % im November 2023. Doch bleibt mit einem Fragezeichen behaftet, wann die Notenbanken bereit sind, den Sieg in ihrem Kampf gegen die Inflation zu erklären.
Zwar könnte die Gesamtinflation im Jahr 2024 durchaus auf die Preisstabilitätsmarke der EZB von 2 % sinken oder diese sogar vorübergehend unterschreiten, da die Auswirkungen des Energieschocks nachlassen. Die meisten Inflationsmessgrößen haben sich stärker als erwartet abgeschwächt und die Wirtschaftstätigkeit bleibt gedämpft, was sich auch in den überarbeiteten Prognosen der EZB widerspiegelt. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns in einer strukturell anderen Welt mit hartnäckig hohem unterliegenden Inflationsdruck bewegen, was mittelfristig wieder deutlicher zum Vorschein kommen könnte. Wir gehen davon aus, dass der unterliegende Kostendruck im Euroraum angesichts eines engen Arbeitsmarkts – Stichwort demografischer Wandel und schrumpfende Erwerbsbevölkerung – und gedämpfter Produktivität auf absehbare Zeit weiterhin zu hoch ausfällt. Im Euroraum wird es wahrscheinlich bis zu den Lohnverhandlungen im Frühjahr 2024 dauern, bis die „datenabhängige“ EZB zuversichtlich ist, dass die Inflation dauerhaft auf 2 % zurückkehrt.
Auch in den USA ist zweifelsohne die Abschwächung des Inflationsdrucks eine gute Nachricht. Die Kerninflationswerte sind im Sommer 2023 aus dem aufwärtsgerichteten Muster der letzten zwei Jahre ausgebrochen. Dies stellt einen echten Fortschritt dar und zeigt, dass der pandemiebedingte Schock bei den Konsumausgaben für Waren und Dienstleistungen nachlässt. Gleichzeitig rechnen wir mit einem schwankungsreichen US-amerikanischen Inflationspfad, was wiederum zu erratischen Zinserwartungen beitragen könnte. Denn während ein Schock nachlässt, scheint ein zweiter – die alternde Erwerbsbevölkerung – bereit, das Zepter schrittweise zu übernehmen. Dies wiederum könnte die Inflation auf eine Achterbahnfahrt schicken.
Die niedrige Arbeitslosigkeit in den USA wird gerne als Zeichen wirtschaftlicher Stärke interpretiert. Fakt ist: Es entstehen derzeit immer noch mehr Arbeitsplätze, als Personen neu auf den Arbeitsmarkt drängen. Eine alternde Erwerbsbevölkerung wiederum bedeutet unseren Schätzungen zufolge, dass die US-Wirtschaft bald voraussichtlich nur noch in der Lage ist, die Schaffung von rund 70.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen pro Monat aufrechtzuerhalten, ohne die Inflation anzuheizen. Daher gilt unseres Erachtens: Sofern sich das Beschäftigungswachstum von hier aus nicht weiter deutlich abschwächt oder es zu einem überraschenden Anstieg der Produktivität oder der Einwanderung in den USA kommt, könnte der Arbeitskräftemangel im Jahr 2024 zu einem erneuten Lohndruck führen und sich zu einer Quelle anhaltender Inflation entpuppen.
Auch die Finanzpolitik rückt im Jahr 2024 wieder verstärkt ins Rampenlicht. In der Europäischen Union (EU) lassen die Haushaltsentwürfe der Länder für 2024 erwarten, dass nach mehr als drei Jahren beispielloser fiskalpolitischer Unterstützung zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und der Energiekrise die staatlichen Haushaltsdefizite der EU-Mitgliedsstaaten voraussichtlich merklich schrumpfen. Darüber hinaus wird der Stabilitäts- und Wachstumspakt im Jahr 2024 wieder greifen, nachdem er seit 2020 ausgesetzt worden war. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Budgethaushalte in Europa im Jahr 2024 in einer besseren Verfassung sein dürften als in den Vorjahren. Weniger eindeutig gestaltet sich die Situation in den USA, und das nicht nur im Hinblick auf die anstehenden Präsidentschaftswahlen. Washington schlägt derzeit weiterhin einen lockeren finanzpolitischen Kurs an und wir wären nicht überrascht, läge das US-Primärdefizit in den nächsten zehn Jahren durchschnittlich bei etwa 3 %, ein Prozentpunkt über dem Durchschnitt vor Ausbruch der Pandemie. Diese fiskalpolitische Ausblick ist unseres Erachtens einer der Gründe dafür, dass Anleger mehr Entschädigung für das Risiko einfordern, das mit dem Halten langfristiger Anleihen einhergeht (Laufzeitprämie).
All dies stellt eine grundlegende Veränderung gegenüber dem Niedrigzinsumfeld vor der Pandemie dar. Die Attraktivität von Zinseinkommen in Portfolios ist vor diesem Hintergrund gestiegen, wobei es auch am Rentenmarkt zu differenzieren gilt. So bevorzugen wir in den USA nach wie vor Staatspapiere mit kürzeren Laufzeiten. Während sich die Neubewertung der erwarteten Geldpolitik der G4-Zentralbanken – mit Ausnahme der Bank of Japan (BoJ) – bereits weitgehend vollzogen hat, beträgt die sog. Laufzeitprämie in den USA – die Kompensation, die Anleiheinvestoren für das Risiko des Haltens langfristiger Anleihen fordern – nur einen Bruchteil unserer Erwartungen. Wir gehen unverändert davon aus, dass die Laufzeitprämien noch weiter steigen könnten. Bei längeren Laufzeiten bonitätsstarker Zinspapiere bevorzugen wir taktisch, d.h. mit Blick auf die kommenden sechs bis zwölf Monate, eine neutrale Positionierung bei US-amerikanischen und europäischen Staatsanleihen. Eine Reihe von Zutaten würden am aktuellen Rand für eine Fortsetzung der Rallye am Anleihenmarkt benötigt: anhaltend schwächere Konjunkturdaten, das Ausbleiben unerwarteter weiterer Fortschritte bei der Inflation und eine noch stärkere Haushaltskonsolidierung im Euroraum als derzeit ohnehin erwartet, was mit einem geringeren Anleihenangebot einherginge.
Gleichzeitig ist unseres Erachtens nach wie vor mit geldpolitischen Bremsspuren für Konjunktur und Unternehmensgewinne in den USA und Europa zu rechnen. Wohlgemerkt in einem Marktumfeld, in dem steigende Bewertungen und nicht das Gewinnwachstum im Jahr 2023 den Löwenanteil der weltweiten Aktienrenditen ausmachten. Die Rezessionssorgen scheinen abgeschüttelt, gerade in den USA, doch erwarten wir im Jahr 2024 ein gedämpftes Wirtschaftswachstum in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Insbesondere für Deutschland und Europa zeichnen Frühindikatoren weiterhin ein vergleichsweise trübes Bild. In den USA dagegen befindet sich die Wirtschaft, weitgehend unbemerkt, bereits seit mehr als eineinhalb Jahren in der Stagnation, gemessen am Durchschnitt gängiger Wachstumsmaßstäbe. Sollte die US-Wirtschaft, wie von uns erwartet, ein weiteres Jahr lang weitgehend stagnieren, handelte es sich um die schwächste zweijährige Wachstumsphase in der Nachkriegszeit, abgesehen von der globalen Finanzkrise 2008/09.
In den Schwellenländern steht der ostasiatische Raum vor seinem eigenen neuen Regime. Der Post-Covid-Neustart hatte nicht zu der zu Jahresbeginn 2023 erhofften kräftigen Konjunkturerholung geführt. Ostasien ist auf einen gemäßigteren Wachstumspfad eingeschwenkt. Dies spiegelte unseres Erachtens insbesondere strukturelle Faktoren wider, darunter eine höhere Sparquote der Verbraucher in einem als unsicherer wahrgenommenen wirtschaftspolitischen Umfeld, der Einbruch bei neuen Immobilieninvestitionen, aber auch verhalteneres Exportwachstum in einer Welt, in der Unternehmen versuchen, ihre Lieferketten auf breitere Füße zu stellen und Abhängigkeiten von in der Region ansässigen Lieferketten abzubauen. Im Laufe der Zeit erwarten wir eine fortgesetzte Verlangsamung des Trendwachstums, wofür unter anderem die schrumpfende Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter eine Rolle spielt. Länder wie Vietnam und Mexiko dagegen könnten unserer Meinung nach von der Diversifizierung der Lieferketten – eine der von uns beobachteten MegaForces – profitieren. Und wir sehen Chancen in den ressourcenreichen Golfstaaten, Indien und Brasilien, die über große Reserven wichtiger Ressourcen verfügen, etwa für den Übergang zu einer kohlenstoffärmeren Welt, und Verbindungen zu mehreren geopolitischen Blöcken anstreben (sog. „multi-aligned countries“).
Unser zweites Anlagethema befasst sich mit der aktiven Steuerung von Portfolioergebnissen. Wir glauben, dass das neue Marktregime dynamische Ansätze und Fingerspitzengefühl gegenüber statischen Ansätzen belohnt. Mehr Volatilität und eine größere Streuung der Renditen schaffen Raum, um mit fundiertem Wissen zu glänzen, sei es in Bezug auf Regionen, Sektoren oder MegaForces.
Zum anderen bieten fünf „Megaforces“ aus unserer Sicht spannende regionen- und sektorenübergreifende Anlagechancen. Zu diesen strukturellen Verschiebungen, die mit merklichen Rentabilitätsverschiebungen einhergehen dürften, zählen neben der digitalen Disruption und KI die Neuverkabelung globaler Lieferketten aufgrund geopolitischer Umbrüche und wirtschaftlichen Wettbewerbs, der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, demografische Entwicklungen und die Neuordnung der Architektur des Finanzsystems.
Diese Megatrends liegen nicht in ferner Zukunft, sondern spielen sich bereits heute ab. Und wir sind der Meinung, dass sie für sich genommen bereits zu wichtigen Portfoliobausteinen geworden sind. Auch bei diesem Anlagethema gilt: Fingerspitzengefühl lohnt sich. Der Schlüssel besteht unseres Erachtens darin, die Katalysatoren ausfindig zu machen, die die fünf Megatrends ankurbeln können, die Sektoren und Unternehmen zu identifizieren, die davon profitieren werden – und im Blick zu behalten, inwieweit all dies heute eingepreist ist.
Unterm Strich sind wir der Ansicht, dass Anleger im Jahr 2024 einen aktiveren Ansatz für ihre Portfolios wählen und Risiken mit Bedacht eingehen sollten.
Mit diesem Ausblick wünschen wir Ihnen ein gesundes, zufriedenes neues Jahr!
Quellen:
1„Im Jahr 2024 werden Länder mit mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung – über vier Milliarden Menschen – ihre Bürger zur Wahl schicken
.“Hinweis: Nicht alle sind allgemeine Wahlen (bei denen Regierungschefs vertreten sind); Beispielsweise werden Brasilien und die Türkei landesweite Kommunal-/Kommunalwahlen abhalten. BlackRock Investment Institute (BII), Dezember 2023.
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